GlĂŒcksfall, Exerzitium in romantischer Magie, Lyrik-Kamasutra
Wenn Sprache permanenter Entstehungsprozess von Ich und Welt als Kondensat der Wahrnehmung ist, was wĂ€re dann die Suche nach Urwelt und Ursinn? Was wĂ€re der Versuch, unsere ungeheuerliche Sprachmatrix durchstoĂen zu wollen, um nach einem Dahinter, nach Bedeutung zu forschen? Donquichotterie! GröĂtmögliche Eselei! Ikarus auf Tauchfahrt in die Ironie. Sam Lowrys Flucht zwischen die Zeilen, in den Sinnsang zwischen Minne und Unsinn. Um was zu finden? Muss nicht Eden am Urgrund der Sprache liegen, im Irgendwo, ein Atlantis, wie Mutterleib und Liebe? Du? Die Urmeere, sagt man, hatten 37 °C. Den Butt in die Fischfalle locken. Vielleicht weiĂ er einen Weg.

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3 Gedichte aus spiel · ur · meere (spiel-ur-meere)
pluie
spieluhren drehn mich im flug â hafen moskau wind beschneit â ihre stimme ĂŒber meiner nase, flamenco ihre augen flamenco ich darf ihren nacken erraten â was ihre hĂ€nde malen im gewitter schlag der tauben flĂŒgel â wolken, ein straĂenjunge putzt sich die zĂ€hne â splitter in meiner schulter spĂŒr ich den sektkelch kĂ€segeruch parfĂŒm fĂŒr mein wundgelegenes warten â ihre hĂ€nde ihr zögern auf einem geschlossenen brief, ein kindheits- spiel â uhren ein knĂ€bisches zucken in ihrem weit gefĂ€cherten blick & schneller drehn sich moskau flamenco spieluhr + ein alter fotoapparat â spult mich bild fĂŒr bild zum anfang zurĂŒck
medaillon mit bildchen
das kleine haus vermisse ich das kleine haus das nie schlĂ€ft das kleine haus das sich um seine pferdchen kĂŒmmert + kĂŒmmert + kĂŒmmert das kleine haus ich zĂ€hle drei monde, ene mene mu drei sicheln drei lĂ€chelnde sicheln das kleine haus unter den sicheln frau maria ist ein felsmassiv, sie wickelt sie gebiert sie lĂ€chelt ein kind, die beiden sind eins sind zwei köpfige mitternachtssonnen ineinanderge- sĂ€ugt vor einem anderen felsmassiv rechts ein wald mit fabrik auf einem unsinnig hohen pappkarton werden auf- + untergĂ€nge simuliert, die tage unterscheiden sich frau maria ist ein pferd sie gebiert wie eine fabrik an ihrem einzigen lĂ€cheln gebiert sie seit tagen das kleine haus // Bildanmerkung, Franz Marc âTirolâ, Ăl auf Leinwand, 1914
an den angler in monets bildern
merk dir nie an den wolken (wenn da ein meer ist â & da ist ein meer) wo du die fisch falle versenkst, merk dir immer das ĂŒber flieĂende blau (merks dir am ĂŒber) am fluss vom himmel ins meer, merk dir genau wann du das meer in den himmel versenkst, merk dir kein meer an den wolken (& es gibt diese wolken â nicht alle sind blau) merk dir am besten den fisch
Rezensionen (Auswahl)
Auf Anhieb ein Wurf, der GlĂŒcksfall einer formintelligenten Lyrik, die Fragen stellt und Denkwege bahnt. (âŠ) Friedrich Schlegel, der den Essay als intellektuelles Gedicht bezeichnet hat, hĂ€tte an Schloyers beweglichen SpaziergĂ€ngen des Intellekts seine Freude gehabt.
Sibylle Cramer, SĂŒddeutsche Zeitung
Christian Schloyers Gedichte lesen sich wie ein Exerzitium in romantischer Magie. Ihr ebenso ernsthaft wie augenzwinkernd erklĂ€rtes Ziel ist nichts Geringeres als das wieder-gefundene Paradies einer vorsprachlichen Unschuld. (âŠ) In den gelungenen Augenblicken dieses Bandes aber verbinden sich postmoderne Poetik und romantische Sujets zu TraumtĂ€nzen von betrĂ€chtlicher Anmut.
Heinrich Detering, Frankfurter Allgemeine Zeitung
Originelle Wortschöpfungen vorrangig erotischen Vokabulars, hintergrĂŒndig eindeutig und dennoch in keiner Verszeile obszön, heben das Buch in den Rang eines neuzeitlichen lyrischen Kamasutras.
Dorothea von Törne, Die Welt
Schon lange hat es keinen lyrischen DebĂŒtanten mehr gegeben, der sich so vorbehaltlos den Suggestionstechniken der Sprachmagie anvertraut hat.
Michael Braun, Frankfurter Rundschau
Das ist das Spielerische an Schloyers Gedichten, hier wird in kauf genommen, dass gleichermaĂen Ursinn und Unsinn produziert wird. (...) Fast immer entstehen Verse, die von einer groĂen Meisterschaft zeugen.
Dirk Kruse, Bayerischer Rundfunk
Von zarter Eleganz sind die Gedichte, bezaubernde Ambivalenzen halten sie bereit. (âŠ) Tangiert von subtiler Leidenschaft und Erotik schwebt die Sprache sehr schimmernd im Orbit des Vagen, quasi als Andeutung ihrer Substanz.
Ron Winkler, BELLA triste
Semantische Hochspannung
Schloyers DebĂŒtband „spiel · ur · meere.“ ist die gelungene Umsetzung eines poetologischen Programms, das neben der im Modus des âAls obâ hoch ernsthaften Arbeit an einer Sprachwiedergewinnung auch erkenntnistheoretische Interessen verfolgt. Deren Fragestellung informiert uns – so wir es aufgeben, mehrdeutiges Bild auf eindeutige Erfahrung beziehen zu wollen – Wort fĂŒr Wort ĂŒber die groĂartigsten Möglichkeiten der „vers / chiffrierung
Marcus Roloff, www.fixpoetry.com/feuilleton/kritiken/christian-schloyer/spielurmeere